„Für eine tragfähige Jamaika-Koalition fehlte das Vertrauen“

Auf Einladung des FDP-Stadtverbandes kam Otto Fricke MdB am 5. Dezember 2017 nach Kaarst – in die Aula der Realschule Halestraße. Bei der Begrüßung stellten Dr. Heinrich Thywissen, Vorsitzender des FDP-Stadtverbandes gemeinsam mit Astrid Werle, Organisatorin und Mitglied des Vorstandes, viele Fragen an den neu gewählten Bundestagsabgeordneten, so zum Beispiel: Was ist bei den Sondierungsgesprächen in Berlin passiert? Was wird aus den Wahlversprechen der FDP? Wie geht es nun weiter mit der FDP?

Otto Fricke MdB berichtete … Otto Fricke bedankte sich, dass so viele politisch interessierte Bürgerinnen und Bürger gekommen waren, mit über 50 Personen war die Aula gut gefüllt. Er dankte dem Kaarster FDP-Vorsitzenden für die Gelegenheit, aus erster Hand die Ereignisse in Berlin aus seiner Wahrnehmung schildern zu können. Er betonte: „In der Politik gibt es „kein Richtig oder Falsch“, weshalb er die Entscheidung auch nicht bewerte“. Aus seiner Sicht war es jedoch in der gegebenen Situation die bessere Entscheidung, da eine Jamaika-Koalition auch auf absehbarer Zeit nicht möglich sei.

Was war nun am Wahlabend geschehen? Die SPD hatte bereits nach den ersten Umfrageergebnissen kurz nach 18 Uhr unverzüglich in die Opposition begeben. Damit war zunächst nur Jamaika-Koalition aufgrund des Wahlergebnisses möglich.

Wie wurden die nun folgenden Sondierungsverhandlungen strukturiert? Die Anzahl der Teilnehmer für dieser Sondierungsgespräche, die „tatsächlich“ Koalitionsgespräche waren, wurden so angelegt, dass sie nicht zu tragfähigen Ergebnissen führen konnten. Bekanntermaßen sind Gespräche in Gruppen, die größer als acht sind, schwierig bis unmöglich. Das Größenverhältnis war nicht ausgewogen: CDU/CSU trat mit bis zu 28 Personen, die Grünen mit 14 und die FDP mit meist fünf Personen aufeinander. Auch die Arbeitskreise waren entsprechend zu groß. Die Sondierungspapiere, die dort erarbeitet wurden, gelangten darüber hinaus per Twitter zu schnell durch Teilnehmer in die Öffentlichkeit.

Wo lagen die Motive für das Verhalten der Verhandlungspartner und für die Führung durch die Bundeskanzlerin? Die wichtige Frage, wer will was, wurde leider nicht von vornherein geklärt. Otto Fricke lobte die Bundeskanzlerin einerseits, schilderte ihr Führungsverhalten jedoch kritisch: „Sie führt über Zeit und wartet den Punkt ab, wann sich der andere Verhandlungspartner bewegt und wann sie sich bewegen muss“. Fricke hat es so wahrgenommen, dass sich die Bundeskanzlerin stets die Frage stellt: Was nützt mir diese Entscheidung? Eine konstruktive Führung habe gefehlt. Die CDU/CSU-Verhandlungstruppe habe sich auf schwarz-grün fokussiert.

Und die Grünen sahen in Jamaika eigentlich ihre letzte Chance endlich mal wieder in Regierungsverantwortung zu kommen; sie waren seit 2005 nicht mehr an der Macht.

Wie war der Wille zur Macht bei der FDP? Die FDP hat die Sondierungsverhandlungen sehr ernst genommen, wollte aber nicht um jeden Preis in eine Regierung eintreten. Der starke Drang zum unbedingten Regieren und der Anreiz nach Posten und Dienstwagen standen nicht im Vordergrund. Es war anders als 2009. Das oberste Ziel des Wahlkampfes war gewesen, wieder in den Bundestag einzuziehen und dieses Ziel wurde erreicht.

Wo lagen nun die inhaltlichen Knackpunkte? Zum Beispiel beim ESM war keine Mehrheit für eine Abschaffung des ESM erkennbar. Da die niederländische Regierung zudem bereits beschlossen hatte, dass sie einer ESM-Aufweichung nicht zustimmen würde, ein entsprechender Beschluss auf europäischer Ebene zudem hätte einstimmig erfolgen müssen, war diese Problematik letztlich für die Sondierungsgespräche hinfällig. Seitens der CDU/CSU wurden aber gegenüber der FDP keine Kompromissvorschläge gemacht, lediglich war ein Nachgeben bei Vorschlägen der Grünen erkennbar. Selbst NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, mit dem die FDP in NRW gut zusammenarbeitet, hat den Grünen in der – gerade auch für NRW wichtigen Frage – der Reduzierung der Co2-Emmissionen aus Kohlekraftwerken nachgegeben.

Soli oder Ergänzungsabgabe: Auch hier hier waren es halbherzige Vorschläge und die FDP sollte sich letztlich mit Forderungen aus dem CDU-Wahlprogramm zufriedengeben.

Bildung: Kooperationsverbot – Bund soll Ländern und Kommunen mit Geld helfen, aber kein Mitspracherecht erhalten. Hier galt die Devise: Geld für Investitionen in Bildung zu haben, aber woher?

Er erwähnte, dass genug Geld vorhanden sei, Investitionen in Bildung zu treffen, die Kapazitäten beim Verlegen der Leitungen (Datenautobahnen) sind der Engpass. Dazu fordert die FDP für die flächendeckende leistungsstarke Breitbandabdeckung auch den stufenweisen Verkauf von Bundesanteilen an Post und Telekom. Dazu gab es keine Einigung.

Otto Fricke MdB Wie war die Chemie zwischen den Verhandelnden? Otto Fricke sieht den Hauptgrund im Scheitern der Jamaika-Gespräche darin, dass kein Vertrauen untereinander vorhanden war bzw. aufgebaut wurde. Sondierungs- bzw. Koalitionsgespräche sind Vertragsverhandlungen. Wenn aus diesem Vertrag Konflikte entstehen, dann gibt es keine Rechtsmittel dagegen, keinen Schiedsrichter: Die Grundlage für tragfähige Lösungen ist eben die vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Die Vertrauenssituation zwischen CDU/CSU und FDP war seit 2009-2013 geschwächt. Vertrauen baut sich durch Erleben auf oder ab. In den Gesprächen gab es keinerlei Zeichen des Vertrauens seitens der CDU und oder der Bundeskanzlerin.

Es gab keine erkennbaren Anzeichen und kein Angebot an die FDP aufeinander zuzugehen.

Wie geht es mit der FDP weiter? Die FDP-Fraktion im Bundestag wird keine Frontal-Opposition machen. Sie wird ihre liberale Handschrift in Einzelentscheidungen zu Gesetzesentwürfen erkennbar machen und einbringen, so wie es bereits in der Irland-Debatte im Bundestag sichtbar wurde: FDP und Grüne stimmten hier dem CDU-Vorschlag zu.

Die zahlreichen Fragen aus dem Publikum beantwortete Otto Fricke kompetent und anschaulich. Er forderte die Zuhörer auf, sich dazu zu bekennen, dass sie sich für Politik interessieren und damit einen wichtigen Beitrag für das Gemeinwohl leisten.